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1. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 399

1859 - Lübeck : Rohden
Xxi. §. 5. Kreuzzug Wider die Wenden. 399 heit in den kirchlichen Lehren zu erlangen. Im Mittelalter nannte man solche dialektische Theologen Scholastiker und ihre Ausgabe war: jede kirchliche Lehre mit der größtmöglichen Schärfe und Gründ- lichkeit festzustellen, gegen alle Einwendungen zu vertheidigen und mit haar- spaltender Genauigkeit ihre Anwendung nach jeder Seite hin aufzuweisen. Als Führer der langen, langen Reihe von Scholastikern des Mittelalters stand dem Bernhard der berühmte Abälard gegenüber. Aber Abä- lard war nicht so fromm als er gelehrt war, Deshalb hat er schwere Demüthigungen erdulden müssen, und Bernhard wurde es nicht schwer, ihn zu überwinden. Aber seine Schüler waren unendlich zahlreicher als die Bernhard' s. Denn durch den genauen Verkehr Deutschlands mit dem noch von alter Zeit her gebildeten Italien, mit den scharfsinnigen und ver- schmitzten Griechen, mit den phantastischen und überschwänglichen Völ- kern des Morgenlandes, Christen und Saracenen, war in fortgehender Steigerung ein so gewaltiger Drang und Trieb nach eigner Weiterbil- dung unter die Deutschen und ihre nächsten Nachbarn gekommen, daß mit dem Beginn des zwölften Jahrhunderts wie aus einer geöffneten Thür uns eine unabsehbare Schaar von Gelehrten und Schriftstellern, von Dichtern und Sängern, von Künstlern und ausgezeichneten Män- nern aller Art entgegentritt. Es ist die Vlüthezeit des Mittelalters, in die wir eingetreten sind — die höchste Mannigfaltigkeit der Gaben, Kräfte, Talente, Aemter, Würden, Trachten, Sitten unter der Alles überschattenden Einheit der von Gott hoch erhobenen römischen Kircke und des päpstlichen Scepters. §. 5. Kreuzzug wider die Wenden. Zu gleicher Zeit mit dem zweiten Kreuzzug wider die Sarace- nen, der so unglücklich auslief, wurde noch ein anderer Kreuzzug un- ternommen, der das weite Reich des Papstes wieder um ein bedeuten- des Stück vergrößerte. Es ist schon früher erwähnt (S. 376), daß die schönen Eroberungen und Stiftungen Heinrich' s I. und der Ottonen zwischen Elbe und Oder unter den schwächeren Kaisern, besonders unter Heinrich Iv. fast gänzlich wieder verfallen waren und daß auch Polen und Böhmen immer nur in sehr zweifelhafter Abhängig- keit vom deutschen Reiche standen. Polen war aber indeß, eben so wie Böhmen, ein durchaus christliches Land geworden, hatte Bischöfe und Erzbischöfe, Kirchen und Klöster und sorgte für Ausbreitung deö Christenthums auch in denjenigen heidnischen Ländern, die es eroberte, absonderlich in Pommern. Der Polenherzog Boleslav lud selbst den deutschen Bischof Otto von Bamberg ein, mit ihm und unter- feinem Schutz nach Pommern zu ziehen, um die reichen und lebens- frohen Pommern zu bekehren. Wirklich gelang es dem Bamberger Bischof und dem polnischen Herzog, die Kirche in Pommern wenig- stens zu begründen. Dagegen die vom Kaiser und von den Sach-

2. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 400

1859 - Lübeck : Rohden
400 Xxi. §. 5. Kreuzzug wider die Wenden. senherzögen eingesetzten Markgrafen im Wendenland und die Erz- bischöfe von Magdeburg hatten nun fast hundert Jahre hindurch zu- gesehen, wie alle christlichen Stiftungen im Wenden lande zwischen Elbe und Oder immer auf's Neue wieder von den empörten Heiden vernichtet wurden, also daß auf dem rechten Elbufer nur gar wenig Christen zu finden waren. Als nun Bernhard von Clairvaux im Namen des Papstes Eugen die Deutschen zur Kreuzfahrt nach Jerusalem aufforderte, antworteten mehrere norddeutsche Fürsten ganz verständig: sie hätten Heiden genug in der Nähe zu bekämpfen und brauchten deshalb nicht erst nach Asten zu ziehen. Dem frommen Bernhard war solche Antwort höchst befremdend. Er hatte gar nicht geglaubt, daß an den Grenzen, ja eigentlich im Schooße des deutschen Reichs die Heiden seit Jahrhunderten von den christlichen Fürsten in Ruhe gelassen wurden. Er strafte die Fürsten hart ob solcher Säumigkeit und betrieb jetzt selbst die Unternehmung eines Kreuzzuges gegen die heidnischen Wenden mit größtem Eifer. Die- selben Gnaden und Segnungen wie den Kreuzfahrern gegen Jeru- salem sollten denen zu Theil werden, die das wendische Kreuz näh- men (1147). Es war ihrer eine ziemlich bedeutende Zahl, an der Spitze der Herzog von Sachsen Heinrich der Löwe und dessen Schwiegervater Herzog Konrad von Zähringen (dessen Besitzungen im Elsaß, Baden, Schweiz und Burgund zu suchen sind). An 100,000 Streiter zogen mit ihnen. Sie theilten sich in zwei Haufen. Der eine wandte sich gegen Niclot, den Obotritenfürst, dessen Reich an dem Ufer der Ostsee entlang etwa von Lübeck bis nach Stralsund reichte. Der andere zog von Magdeburg aus gegen die untere Oder. Große Kriegsthaten sind freilich nicht geschehen; aber der Hauptzweck des Zuges wurde erreicht. Der Schrecken über solch ein gewaltiges, von kirchlichem Eifer erfülltes Heer war unter den Wen- den so groß und wirkte so nachhaltig, daß überall das Christenthum ohne Widerstreben zugelassen wurde. Ueberall wurden Kirchen und Klöster, Domstister und Schulen neu gegründet oder wiederhergestellt; Priester und christliche Ansiedler aus Deutschland kamen in's Land; der Herzog von Sachsen und seine Grafen konnten ungestört und mit fester Hand die christliche Herrschaft führen, und wenn auch lang- sam, so ging doch Schritt vor Schritt das bisher so widerspenstige, rohe, abgöttische Volk einer völligen Umwandlung entgegen. Der letzte heidnische Tempel, der umgestürzt wurde, war der Tempel des Svan tev i t auf der Nordspitze Deutschlands, zu Arcona auf Rügen; er wurde 1169 von den Dänen zerstört.

3. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 401

1859 - Lübeck : Rohden
Xxi. §. 6. Neue Siege der Päpste über Kaiser Friedrich I. rc. 401 Schwerlich würde dies Ziel im nordöstlichen Deutschland so bald erreicht sein, wenn nicht eben damals in der Mark Brandenburg ein Mann aufgetreten wäre, den wir mit Stolz und Freude als den Be- gründer des später so ruhmreichen brandenburgisch-preußischen Staates begrüßen. Markgraf Albrecht von Ballenstädt, gewöhnlich Albrecht der Bär genannt, aus dem Hause der Askanier, war vom Kaiser Lothar von Sachsen 1134 und dann noch förmlicher von Kaiser Konrad Iii. 1142 mit der Markgrafschaft Brandenburg belehnt und zwar so, daß er nicht mehr abhängig von Sachsen, sondern als selb- ständiger Reichsfürst seine Markgrafschaft erblich besitzen solle mit allen den Ehren und Rechten, welche sonst nur Herzögen zukommen. Er ward Erzkämmerer des deutschen Reichs, so wie die übrigen Herzöge Erzmarschall, Erzmundschenk, Erztruchseß u. s. w. waren. Er benutzte den erwähnten wendischen Kreuzzug sogleich, um seine Herrschaft bis an die Oder auszubreiten, und war entschlossen, das Heidenthum um jeden Preis niederzukümpfen und das Christenrhum zur alleinigen Herrschaft zu erbeben. Deshalb berief er sofort deutsche, besonders holländische Colonisten in das entvölkerte und verödete Land, die den Boden fleißig anbauten, Städte gründeten und zahlreiche Dörfer anlegten, lieberall erhüben sich die schützenden Burgen mächtiger Ritter, gelehrte Mönche und fromme Priester kamen schaarenweise herbei; die lange darnieder- liegenden Bisthümer von Havelberg und Brandenburg wurden glänzender als je wieder aufgerichtet und fester begründet. Auch die seit dem ersten Kreuzzug im gelobten Lande gestifteten kriegerischen Mönchsorden der Johanniter und Tempelherren bat ec um Ueberlassung einer Anzahl von Brüdern und Rittern, die mit den Werken der Liebe und mit der Kraft des Schwertes die Ueberreste des Heidenlhums völlig zu Boden werfen sollten. Und wunderbar blühte das Land unter seiner eignen und seiner askanischen Nachfolger kräftiger Leitung auf. Ueberall wurden Wälder ausgerodet, Sümpfe ausgetrocknet, öde Haidestrecken urbar gemacht, Wohlstand und rege Thütigkeit konnte man nach allen Seiten hin mit Behagen wahrnehmen. Selbst die Wenden, die als Besiegte das schwere Loos hatten, Leibeigene der deutschen Sieger zu werden, wurden von der frischen und strebsamen Thätigkeit der deutschen Ansiedler mit fortgerissen, entsagten dem trägen Brüten und sinnlichen Nichtsthun und wetteiferten mit ihren Grundherren im Anbau des Bo- dens und in der Erweiterung der Cultur. Die mildere Sinnesart, die mit dem Christentyum in's Land gekommen war, verschaffte vielen solcher wendischen Dienstleute die Freiheit und allmälig verschmolzen sie mit ihren deutschen Ueberwindern zu einem kräftigen und lebens- frischen Volksstamm, dem eine große Zukunft aufbehalten war. §. 6. Neue Siege der Päpste über Kaiser Friedrich I. und den König von England. Hatten bisher die Päpste seit Gregor's Vii. Zeit einen Sieg nach dem andern über die Kaiser und Könige erlangt und ihre theo- kratische Oberherrschaft trotz alles Widerstandes immer durchführen v. Nohden, Leitfaden. 26

4. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 445

1859 - Lübeck : Rohden
Xxii. §. 6. Erstes Hervortreten Frankreichs als Feind und Dränger re. 415 Wir müssen hier noch besonders an zwei wichtige Erwerbungen deutscher Fürstenhäuser erinnern, welche zwar nur für jene Uebergangs- zeit gelten sollten und deshalb auch selber vorübergehend waren. Aber sie bereiteten doch die künftigen bleibenden Zustände vor und dienen zu- gleich zur Erklärung der Haltung und des Schicksals des Kaisers Ludwig. Das war nämlich die Erwerbung der böhmischen und mäh- rischen Lande durch das Haus Luremburg, und der Mark Branden- burg durch das bayerische Hauö Wittelsbach. Auf Böhmen und Mähren, sahen wir, hatten schon längere Zeit die östreichischen Habs- burger gewartet, aber es war ihnen für jetzt noch nicht beschieden. Sie sollten erst in den neu erworbenen östreichischen Landen tiefer unter sich wurzeln und sich läutern, ehe ihrer Hand das Größere vertraut würde. Dagegen konnte Kaiser Heinrich der Luxemburger gleich beim Antritt seiner Regierung seinen Sohn Johann mit dem böhmischen Reich belehnen, und so dem luremburgischen Geschlecht eine Hausmacht in Deutschland gründen, welche es ein ganzes Jahrhundert hindurch zu einem der mächtigsten und angesehensten Fürstengeschlechter erhob und lange Zeit auch in Besitz der Kaiserkrone erhielt. Schon jener Jo- hann, Heinrich's Vii. Sohn, würde ohne Zweifel seinem Vater in der Kaiserwürde gefolgt sein, wenn er nicht noch unmündig gewesen wäre. Aber Johann's Sohn, Heinrich's Enkel, war eben jener Carl Iv., aus den nach Ludwig's Tode die Kaiserkrone überging (1347) und bei vessen Geschlechts sie blieb bis 1437. Ludwig der Bayer aber hatte seine kaiserliche Gewalt nicht minder zur Erweiterung seiner Haus- macht benutzt. Das ehrenwerthe ballenstädtische Haus, welches seit Albrecht dem Bär die Markgrafschaft Brandenburg besessen und tressiich verwaltet hatte, war 1320 ausgestorben, und jetzt hatte der Kaiser seinen gleichnamigen Sohn Ludwig mit jenen großen und blühenden Gebieten belehnt — nicht zum Segen der Markgrafschaft. Während Ludwig's und der späteren bayerischen Markgrafen Verwal- tung (1324—73) sank das bisher so wohl gepsiegte und fröhlich sich entwickelnde Land durch die Feindschaft mächtiger Gegner, durch innere Zwistigkeiten, durch Nachlässigkeit und Untüchtigkeit der Fürsten in eine traurige Zerrüttung, die später schwer zu heilen war. Wie hätte es auch anders sein können, da sogar das Oberhaupt der Christenheit, Papst Johann Xxii., die rohen polnischen Slavenhorden, ja die heidnischen Lithauer in's Land rief und sie zu allen Verwüstungen, Greueln und Freveln ermuthigte, nur um dem verhaßten Kaiser Ludwig und dessen Sohn dem Markgrafen, desto empfindlicher« Schaden zu thun. Der Kaiser freilich säumte seinerseits auch nicht, dem Papst mit gleichem Maße zu messen. Aber seine Unternehmungen waren viel zu gewagt und unbedacht, als daß sie ihren Zweck hätten erreichen kön- nen. Sie wandten sich vielmehr wider ihn selber zurück. Ungewarnt durch das Beispiel Heinrich's Vii., der sich der italienischen Kaiser- herrlichkeit wieder einmal hatte gelüsten lassen und dadurch seinen frühen Tod herbeigeführt, ging auch Ludwig nach Italien, um den Papst im Mittelpunkte seiner Macht anzugreifen. Aber nachdem er sich dort von etlichen gebannten Bischöfen die Kaiserkrone hatte aufsetzen,

5. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 452

1859 - Lübeck : Rohden
452 Xxü. §. 9. Gleichzeitige Schwächung Frankreichs und des Papstthums. hat freilich sein roher und träger Sohn Wenzel wieder umgestürzt oder verfallen lassen. Doch blieb Böhmen noch immer eines der am meisten vorgeschrittenen deutschen Länder. Schwerer mußten es die Marken empfinden, daß die feste und weise Hand Kaiser Karl's nicht ntehr die Regierung führte. Sie kamen in die Hände Sieg- ln und's, der aber viel zu sehr mit der Erwerbung der ungarischen Krone beschäftigt war (er hatte die Erbtochter von Ungarn geheirathet) und seine deutschen Länder schmählich aussaugen und verkommen ließ. Aber dieser jammervolle Zustand sollte für die Mark Brandenburg nur Einleitung und Uebergang sein für eine desto schönere und bedeutungsvolle Zu- kunft, die mit dem Eintritt des glorreichen und gesegneten hohenzoller- schen Hauses begann. Unfähig, die Marken selber zu verwalten, in be- ständiger Geldverlegenheit und dem Burggrafen Friedrich mannig- fach verpflichtet, übergab Siegmund dem Hohenzoller Friedrich, Burggraf von Nürnberg, die Mark Brandenburg, erst nur pfandweise, dann 1415 als eignes Kurfürstenthum, ihm und seinen Erben mit allen Rechten eines deutschen Reichsfürsten und Erzkämmerers. Damals ahnte Siegmund schwerlich, wie schnell sein eigner Stamm ver- löschen und wie hehr und gewaltig der königliche Baum erwachsen werde, dessen erstes Reis er damals in den brandenburgifchen Boden senkte. §. 9. Gleichzeitige Schwächung Frankreichs und des Pap st th ums. Schwerlich würde Deutschland den großen Umschwung seiner Verfassung, da es aus einem Lebenstaat zu einer Fürsten- und Stüdte- republik sich umgestaltete, so ungestört haben vollziehen können, wären nicht seine beiden alten Widersacher, Frankreich und die Päpste, voll- ständig nach einer andern Seite in Anspruch genommen und selbst in einem bedenklichen Rückgang ihrer Macht begriffen gewesen. Frank- reich war in einen schweren Krieg mit England verwickelt; denn der König Eduard Iii. behauptete nach dem Aussterben der Hauptlinie der Capetinger (1328), ein näheres ^Anrecht auf den französischen Thron zu haben als die Seitenlinie der Valois, und da nun König Philipp Vi. von Valois die englischen Besi- tzungen in Frankreich angriff (fast das ganze südwestliche Frank- reich gehörte damals dem englischen Könige), so entspann sich ein blutiger und langwieriger Krieg, der hauptsächlich auf fran- zösischem Boden ausgefochten wurde und das französische Reich mehr als ein Mal an den Rand des Verderbens brachte. In der furchtbaren Schlacht von Cressy 1346 sollen elf französische Prinzen und 1200 Ritter umgekommen sein. In der Schlacht von Poitierö 1356 wurde König Johann, der seinem Vater Philipp

6. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 339

1859 - Lübeck : Rohden
Xix. §. 8. Karl der Große und die Slaven. 339 drungen sein, wo die Peene in die Ostsee strömt. Es ging ihm hier wie im Sachsenlande. So lange die Kriegsmacht im Lande stand, unterwarf sich alles Volk, brachte Huldigungen und Geschenke, selbst die entfernten Slavenfürsten sprachen ihre Unterthänigkeit unter den mächtigen Frankenkönig aus. Allein so wie die Heere zurückgezo- gen waren, wurden Karl's Burgen wieder zerstört, seine Besatzun- gen und seine Priester verjagt und die christlichen Stiftungen ver- nichtet. Das brachte Karl zu dem Entschluß, an diesen entlegenen und schwer zu vertheidigenden Grenzen besondere Markgrafen einzu- setzen mit großer kriegerischer Macht, die in dem ihnen zugetheilten Grenzland etwa in derselben Weise Gewalt übten, wie heutzutage die militärischen Befehlshaber in Städten oder Provinzen, die sich im Belagerungszustand befinden. Diese thüringischen, mittelelbischen und nördlichen Marken wurden dann die festen Haltpunkte und Funda- mente, von denen aus sich im Laufe der folgenden Jahrhunderte christliche und germanische Bildung langsam, sehr langsam aber doch unwiderstehlich auch in die slavischen Gegenden Norddeutschlands ver- breitete. Die Slaven bildeten eine ungeheure Kette einzelner Völkerschaf- ten, die vom Osten herüber bis in die mittleren Länder Europa's vor- gedrungen sind. Ganz Rußland und Polen und der größte Theil der europäisch-türkischen Länder ist von slavischen Völkerschaften erfüllt, dazu die meisten österreichischen Kronländer und die östlichen preußi- schen Provinzen. Früher wohnten sie viel weiter nach Deutschland hinein. Ihre äußersten Vorposten hatten sogar die nördliche Elbe überschritten und wohnten im Lüneburgischen mitten unter den Sach- sen. Andere Slavenschwärme sehen wir zwischen die germanische Be- völkerung Thüringens eingekeilt, ja bis nach Hessen hin Vordringen. Aber das waren doch nur vereinzelte Erscheinungen. Die Masse der slavischen Bevölkerung beschränkte sich von jeher auf die östliche Hälfte unseres Vaterlandes. Es war ein Heidenvolk, dessen Götzenwesen sehr wenig kunstvoll ausgebildet war. Sie hatten wenig Götter, aber viel Priester und Zaubereien, rohe grausame Sitten (Menschenopfer, Witt- wenverbrennung, Leichenessen), waren aber sonst ein ruhiges, behäbiges Volk, überaus anstellig und gewandt, besonders im Nachahmen, liebten die feste Ansiedlung, den Ackerbau, feierten gern Feste und erlustigten sich mit allerlei nationalen Vergnügungen. Sie waren also recht das Widerspiel des Germanenvolks. Während die Eigenthümlichkeit des Germanen darin bestand, daß er, fortwährend im sittlichen Kampf wi- der sich selbst begriffen, die Selbstaufopferung für höhere ideale Güter als das höchste Ziel seines Lebens ansah — blieb der Slave gern dem augenblicklichen Triebe seiner sinnlichen Natur unterthan und zu Willen. Für gewöhnlich ruhig und phlegmatisch, konnte er bei aufgereizter Lei- denschaft in's Maßlose gerathen. Während ferner bei den Germanen 22*

7. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 381

1859 - Lübeck : Rohden
Xx. §. 9. Ueberaang des Kaiserthums von dem sächsischen Hause ic. 381 §.9. Uebergang des Kaiserthums von dem sächsischen Hause aus das fränkisch-salische. Wie dringend nothwendig erscheint dem menschlichen Urtheil des deutschen Vaterlandsfreundes nach dem zum großen Theil verfehlten Regiment der beiden letzten Ottonen die Wiederkehr eines gewaltigen Kaisers, eines Mannes von gleicher Weisheit, Kraft und Entschlossenheit wie die beiden ersten Sachsenkönige. Aber der Herr hat es anders im Sinne. Er laßt einen Fürsten den Thron besteigen, dem man das Lob der Thätigkeit, Tapferkeit, Einsicht und Frömmigkeit nicht versagen kann, der aber den Ruhm und Glanz des deutschen Namens, die Herrlichkeit und Machtfülle des deutschen Kaiserthums nicht wieder herzustellen vermag. Heinrich Ii. (1003—1024), der letzte Sachsen- kaiser, aus einer Seitenlinie des kaiserlichen Hauses und Herzog von Bayern, schien mehr geeignet, ein friedliches Regiment zu führen, als durch große kriegerische Thaten und gewaltiges Eingreifen der Welt Gesetze vorzuschreiben. Die Nordlande und das von Heinrich und Otto eroberte wendische Gebiet zwischen Elbe und Oder blieben un- ter seiner Regierung dem deutschen Einfluß entzogen. Ein mächtiges Polenreich begann sich im Osten unter Boleslav, ein scharf geson- dertes Frankenreich im Westen unter Robert, Hugo Cap et's Sohn, im Gegensatz gegen die kaiserliche Oberherrlichkeit selbständig zu entwickeln. Italien schien verloren. Zwar gelang es Heinrich, mehrmals siegreich einzudringen und sowohl die lombardische Krone zu Pavia als aud> die Kaiserkrone zu Rom zu gewinnen. Aber er vermochte auf die Dauer das hinterlistige und wetterwendische Volk nicht zu bewältigen, und gleich nach seinem Abzüge herrschte wieder der anmaßliche Gegenkönig Harduin sammt den übrigen italienischen Großen mit unverkürzter Gewalt. Die Päpste waren schutzlos dem wilden Getreide der römischen Adelsparteien und der benachbarten Her- zoge preisgegeben. Dieselben Scenen der Erniedrigung und Gottlosig- keit wiederholten sich in dem päpstlichen Palast, wie ein Jahrhundert zuvor. In Deutschland selbst aber drohte der Reichöverband immer lockerer, die Unterthänigkeit der Herzoge und Markgrafen immer frag- licher zu werden. Ohne Scheu befehdeten sich große und kleine Lehens- träger unter einander und wenig achtete man der kaiserlichen Ent- scheidung. Durch Gewalt ließ sich hier wenig ausrichten. Die Kai- ser mußten auf andere Mittel sinnen, um ihre Macht in Deutschland dauernder zu festigen. Das that Heinrich Ii. nach seiner frommen Sinnensart und praktischen Einsicht dadurch, daß er der hohen Geist-

8. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 377

1859 - Lübeck : Rohden
Xx. §. 7. Der erste Glanz des deutschen Kaiscrthums. 377 in Merseburg, Zeitz und Meißen; und als Abschluß aller dieser Stif- tungen gründete Otto das Erzbisthum Magdeburg, dessen Hauptauf- gabe es sein sollte, die Mission unter den Slaven weiter zu führen. (Es hat aber diese Aufgabe nur zu sehr geringem Maße gelöst.) Rom mit dem ganzen Mittlern und obern Italien war in den Hän- den des Kaisers. Nach seinem Willen wurden die Synoden gehalten, die Bisthümer besetzt, die Sprengel abgegrenzt. Die Päpste ließ er - nach seinem Willen wählen und durch sie übte der Kaiser wiederum seinen Einfluß auch auf die Bisthümer in fremden Ländern. Schon kam auch ein Theil von Unter-Italien in die Gewalt des Kaisers. Die mächtigen longobardischen Herzöge von Capua und Benevent hul- digten ihm; die griechischen Besitzungen in Calabrien und Apulien griff er mit dem Schwerte an, und die Tochter des griechischen Kai- sers vermahlte er mit seinem Sohn und Nachfolger Otto Ii. Wie kühn und mächtig trat er da einher, der deutsche Held, der glorreiche Sachfenfürst auf welschem Boden! Umgeben von seinen stolzen Vasallen, den Herzogen und Markgrafen, den Bischöfen und Erz- bischöfen, die ihren kaiserlichen Führer im Rath und im Felde begleite- ten , ste alle wieder umringt von ihrem ritterlichen Gefolge und Lehns- leuten, von der glänzenden Ritterschaar, die sich in den Schutz der Für- sten begeben hatte und mit nie ermüdender Lust an Krieg und Aben- teuer ihnen über Berge und Ströme folgten. Der freie Bauernstand, der ruhig und vereinzelt auf seinem Erbe saß, war unter den wilden Stürmen der vergangenen Zeit gewaltig zusamniengeschmolzen. Jeder drängt sich herzu, um einen starken und tapfern Herrn zu seinem Pa- tron zu haben, die Freien begaben sich ihrer Freiheit und huldigten einem Mächtigern, mochte er Graf sein oder Abt oder Bischof, als ihrem Lehnsherrn, um durch ihn in dem bedrohten Recht und Eigenthum be- schirmt zu werden. So bestanden jetzt die Heere größtentheils aus Ritter- schaaren mit ihrem Dienstgefolge und auf des Kaisers Hofburg ström- ten beständig diese kühnen Krieger und weisen Rathgeber in ihren eisernen Harnischen oder in ihren geistlichen Gewänden zusammen. Er selbst der Kaiser, der Tapferste unter den Tapfern, der Vorderste im Kampf wie in der Rathsversaminlung, war stets überall selber zugegen, wo es etwas zu erstreiten oder zu schlichten gab. Nicht von der friedlichen Ruhe seines Palastes aus, sondern fast sein ganzes Lebenlang auf der Wanderung begriffen, leuchtete er wie eine strahlende Sonne Allen vor an Würde, an Majestät, an Weisheit, an unverzagtem Muth und Gott- Vertrauen. Denn Otto war em frommer Mann, namentlich gegen das Ende seines Lebens, und mehr als ein Mal bekannte er, aus den größ- ten Gefahren durch die Wundermacht Gottes auf sein brünstiges Ge- bet errettet zu sein. Ihm zur Seite stand sein gelehrter, frommer, hoch- geehrter Bruder Bruno, des Kaisers Kanzler und Erzbischof von Köln. Er war es besonders, der die deutsche Geistlichkeit aus dem tie- fen Verfall und der Verwilderung der karolingischen Zeiten wieder zu

9. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 450

1859 - Lübeck : Rohden
450 Xxii. §. 8. Die neue Staatskunst der luxemburgischen Kaiser. gleicher Weise geknechtet hätte, wie es damals den Böhmen geschah. Statt dessen halte Karl Iv. in dem einzigen wichtigen Reichsgesetz, das er erließ, in der sogenannten goldenen Bulle (1356), den sieben Kurfürsten — Böhmen, Sachsen, Pfalz und Brandenburg, und Mainz, Trier, Köln — das eigentliche Reichsregiment in Deutschland über- tragen. Sie waren nicht bloß unabhängige Fürsten in ihrem eignen Gebiet, sondern sie sollten auch mit dem Kaiser die Wächter und Pfleger der Ordnung im gesummten Deutschland sein. Das Letzte war nun freilich damals unausführbar. Ein jeder Fürst strebte na- türlich nach gleicher Unabhängigkeit und Selbstherrlichkeit wie die Kur- fürsten und richtete sich in seinem eignen kleinern oder größern Ge- biete so gut ein, wie er konnte, vereinbarte sich mit seinen Ständen (Adel, Prälaten und Städten) über die Steuern und über die gesetz- lichen Einrichtungen im Lande und suchte mit seinen Nachbarn in Krieg oder Frieden fertig zu werden wie es eben ging. Am meisten aber wuchs die Macht der Städte, die durch Handel und Gewerbe emporgekommen waren. In weitreichenden gewaltigen Verbindungen (der Hansabund zählte in dieser seiner Blüthezeit über 60 Städte) waren sie fremden Königen und Völkern nicht weniger furchtbar als den benachbarten deutschen Fürsten, und den Städteverbindungen muß- ten oft genug Fürftenbündnisse entgegengestellt werden, um die über- greifende Gewalt der stolzen Städter zu brechen. Hier in den Städten nämlich kam nun die Masse des Volks zum rechten Bewußtsein ihrer Kraft; hier gaben sich die Innungen ihre eignen Gesetze, hier saßen neben den Patriciern die Zunftmeister auf den Rathsbänken; hier hatte der kühnste wie der klügste Bürger einen weiten Spielraum zum Gebrauch seiner Kräfte, zur Förderung des Wohls der einzelnen Ge- werkschaft, der ganzen Stadt oder des geflammten Bundes. Hier vertauschte der sangreiche Handwerksmann sein wehendes Barett freudig mit dem Lederhelm und das Handwerkszeug mit der Hellebarde, bald mit der Muskete, um den eignen Herd gegen den Feind zu schirmen. Hier wurden nach Erfindung des Schießpulvers zuerst die metallenen Röhren gegossen, aus denen die ungeheuren Steine oder Kugeln gegen die Burgen der Dränger ge- schleudert wurden. Hier gürtete auch der Kaufmann unternehmenden Sinnes das Schwert an die Seite, um auszuziehen in weit entlegene Länder und für reichen Gewinn Maaren zu tauschen jenseit des Mee- res. Hier sammelte sich der Reichthum, hier wuchs die Wohlhäbig- keit, hier gründete sich der feste Bau eines unbezweifelten wohlgeord- neten Besitzstandes; hier erhoben sich die-herrlichen Dome, die stolzen
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